Warum dieses Buch?

Georg Römpp, Autor dieses Titels sowie zahlreicher weiterer philosophischer Sach-, Fach- und Lehrbücher gibt Antworten:

 

Wie sind Sie auf das Thema "Glück" gestoßen?

Am Anfang standen sicherlich persönliche Erfahrungen mit einigen nicht ganz problemfreien Menschen, bei denen mir bald auffiel, wie sehr sie auf so etwas wie "Glück" fixiert waren, und das brachte mich auf die Frage, ob diese Vorstellung, unbedingt in einem ganz abstrakten Sinne "glücklich" sein zu müssen, ohne zu wissen, was genau man damit will, nicht etwas mit den Problemen dieser Menschen zu tun haben könnte. Dann spielte die Verwunderung eine Rolle, dass die Bilderwelt, die in der  Kunst, aber heute noch mehr in der Presse und vor allem in der Werbung mit Glück verbunden wird, so schrecklich langweilige Szenen zeigt. Wer will denn wirklich so leben, außer vielleicht eine oder zwei Stunden lang? Und schließlich fiel mir immer mehr die zwanghafte und auch ausgrenzende Atmosphäre auf, die in Zusammenhang mit dem Thema Glück oft entsteht - als wollten einem so manche Menschen sagen "und immer schön glücklich sein!", gleichgültig, ob andere das wollen oder nicht.

Wie lange haben Sie an dem Buch geschrieben? Und was war der schwerste Teil?

Das Anti-Glücksbuch entstand im Grunde sehr langsam, also nach und nach, nicht in einem Durchgang. Erst für die Zusammenstellung des vorhandenen Materials habe ich mich dann etwa sechs Monate lang darauf konzentriert. Das Schwierigste daran war eigentlich nicht ein bestimmter Teil, sondern der Versuch, Leserinnen und Lesern, die sich nicht besonders für Philosophie interessieren, für eine philosophische Sicht auf die Vorstellung "Glück" zu gewinnen und ihnen zu zeigen, dass eine solche Sicht sehr nützlich sein kann.

Haben Sie auch welche der üblichen "Glücksratgeber" gelesen?

Einige habe ich wohl durchgeblättert, aber glücklicherweise leide ich  nur selten an Zuständen der Langeweile, und wenn, dann finde ich rasch bessere Unterhaltung ... Mir ist aber aufgefallen, dass sich diese Bücher immer an "irgendjemanden" zu wenden scheinen und etwas vage "Allgemeines" lehren wollen, und dazu fällt mir wieder einmal ein Nietzsche-Spruch ein: "was gemein sein kann, hat immer nur wenig Wert."

Leben wir in einer Zeit, in der die Jagd auf das Glück besonders ausgeprägt ist?

Wir leben in einer Zeit, in der zum ersten Mal seit Beginn der Industrialisierung sehr viele Menschen sehr viel Zeit haben. Da stellt sich natürlich die Frage, wie man diese Zeit verbringen soll. Aber das erklärt noch nicht diese merkwürdige Konzentration gerade auf so etwas Allgemeines wie Glück. Möglicherweise passt dieser Begriff gerade zu dem Gefühl, sich selbst perfektionieren zu müssen? Vielleicht hat seine Bedeutung aber auch mit einem Verlust an Selbstvertrauen in Bezug auf die Art und Weise, wie wir das eigene Leben führen, zu tun? Vielleicht  passt der Begriff "Glück" aber auch allzu gut zu dem starken Drang nach Konformität, also zu dem Glauben, so leben zu müssen, wie wir das in der Werbung sehen?

Welchen Denkern fühlen Sie sich mit Ihrer Arbeit besonders verwandt?

Von Verwandtschaft kann man hier wohl nicht sprechen, aber beeinflusst wird mein Denken in Bezug auf das Thema Glück sicher sehr stark durch Nietzsche und Wittgenstein, also durch Denker, die sich gegen den Schatten Platons wandten, der heute noch einige unserer hartnäckigen Vorurteile über solche Begriffe prägt.

Sie haben  viele Einführungen und Überblicksdarstellungen geschrieben, zu Hegel, Kant, Nietzsche u.a. Drängt es Sie jetzt wieder zu einem größeren systematischen Werk?

Ich beschäftige mich derzeit mit zwei Projekten. Das erste behandelt denjenigen unserer Sinne, der wohl am meisten verkannt wird, nämlich den Tastsinn, also den zumindest in unserer Kultur sehr ambivalenten Umgang mit dem Berühren, vor allem zwischen Menschen, das muss sicherlich ein weitgehend interdisziplinäres Buch werden. Das zweite soll eine Auseinandersetzung der Philosophie mit den merkwürdigen Ansprüchen mancher - keineswegs aller! - Gehirnforscher werden, die Gedanken aus der Philosophie (und übrigens auch aus der Theologie und den Religionen) widerlegt zu haben glauben, obwohl sie die letzten 250 Jahre Entwicklung zumindest in der Philosophie vollkommen verschlafen haben ...

Haben Sie Angst, als Miesepeter und "Glücksfeind" verkannt zu werden?

Ja, auf jeden Fall, obwohl ein solches Missverständnis schwer sein dürfte, wenn man mein Buch gelesen hat, aber wie viele Menschen machen sich rasch und zu rasch ein Bild und dann sorgen sie dafür, dass das Buch diesem Bild ähnlich wird, egal was darin steht.

Was war Ihr letzter Glücksmoment?

Ich habe in dem Anti-Glücksbuch tatsächlich zwischen Glücksmomenten und einem viel zu pompösen Begriff wie "das Glück" unterschieden, und dabei bleibe ich auch. Aber ich werde immer skeptischer, ob man gleich von Glücksmomenten sprechen sollte, wenn man einmal so rundherum zufrieden war. Dieser abgenutzte und viel zu allgemeine Begriff "Glück" scheint mir den Wert solcher Momente geradezu zu verringern. Ich versuche mehr und mehr, auch diesen Begriff möglichst zu vermeiden.

Text mit freundlicher Genehmigung von Verlag Francke, Tübingen. Bild: alle Rechte beim Autor; Reproduktion nur mit ausdrücklicher und schriftlicher Genehmigung.